Seattle, 28. Juli – 1. August 2023
Die American Society of Retina Specialists ASRS hat auch einige wenige Schweizer Mitglieder. Alle ASRS-Mitglieder sind Retinaspezialisten. Anders als letztes Jahr war ophta nicht vor Ort, aber wichtige Informationen erreichen die Redaktion auch auf anderem Wege. Letzten Endes geht es auch der ASRS darum, wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse unter den retinologischen Experten publik zu machen. Im nächsten Jahr wird das ASRS Annual Meeting auf europäischem Boden, in Stockholm, stattfinden.
Amsterdam, 04. – 08.10.2023
Amsterdam mit seinen vielen Grachten passte als Veranstaltungsort besonders für einen Kongress, in dem es um Flüssigkeit und Abtrocknung − in diesem Fall der Retina − geht. Auch das Thema Nachhaltigkeit, dem sich wie viele andere Kongress in diesem Jahr auch EURETINA verschrieben hatte, wird in Amsterdam äusserst intensiv gelebt: Auf rund 900 000 Einwohner kommen gefühlt 1 Million Fahrräder, die eine Hälfte davon in sausender Fahrt (die Pedalisten alle ohne Helm − was haben die Niederlande für Krankenversicherungen?), die andere Hälfte an den Geländern der Grachten aufgereiht. Auch Kongressbesucher konnten sich Velos ausleihen. Spannende Themen waren die Weitwinkel-Bildgebung, Innovationen für die Chirurgen (intraoperative Visualisierung), die sich abzeichnenden Optionen bei der Geographischen Atrophie und ganz besonders die durablen Optionen in der Behandlung der VEGF-zugänglichen Netzhautpathologien. Der wissenschaftliche Ehrgeiz geht hier über das Bisherige noch weit hinaus: Mit Gentherapien versucht man, die jetzt schon erreichte langanhaltende Wirkung intravitreal injizierter Medikamente noch zu überbieten.
Amsterdam, 04. – 08.10.2023
Hot Topic: «Intervallverlängerung»
Bioverfügbarkeit von Supplementen: Mogelpackung?
Ob AREDS-Supplemente wirken, hängt auch von der Produktqualität ab. Prof. Magda Meester, Erasmus-Universität in Rotterdam, untersuchte Bioverfügbarkeiten verschiedener AREDS2-Supplemente und fand dabei Erstaunliches.
Lutein und Zeaxanthin hatten in AREDS2 gewisse Wirkung entfaltetet, aber dazu müssen diese Carotinoide auch bioverfügbar sein. In oxidierter Form sind sie das nicht. Lutein in Weichkapseln zeigte die höchste Stabilität gegenüber Oxidation, gefolgt von Filmtabletten. In den berichteten Messungen reagierte Lutein in Hartkapseln am empfindlichsten auf Umgebungssauerstoff.
Bei elf Probanden wurde die Bioverfügbarkeit von zwei verschiedenen AREDS2-Supplementen im Crossover-Design gemessen. Beide enthielten laut Deklaration 10 mg Lutein / 2 mg Zeaxanthin bzw. 20 mg Lutein / 1 mg Zeaxanthin. Da die Blutspiegel extrem unterschiedlich reagierten, schloss sich eine Laboranalyse der Produkte an. Für die Weichkapsel ergab sie 11.29 mg Lutein und 2.84 mg Zeaxanthin; bei der Filmtablette mit deklarierten 20 mg Lutein wies das Labor nur 0.17 mg nach; Zeaxanthin wurde mit 0.08 mg statt 1 mg gemessen. Fazit: Nicht jedes Produkt wirkt, nur weil bestimmte Inhaltsstoffe angegeben werden.
Die bilateral progressive retinale neurodegenerative Krankheit MacTel Typ 2 führt zum zentralen Visusverlust. Die Müllerzellen, das retinale Pigmentepithel (RPE) und die ellipsoide Zone (EZ) verändern sich besonders in der zentralen Retina, im OCT als hyporeflektive Kavitäten sichtbar.
Müller-Gliazellen schützen die Photorezeptoren vor dem Zelltod durch Expression neurotropher Faktoren einschliesslich CNTF (ciliary neurotrophic factor), so Prof. Frank G. Holz, Universität DE-Bonn.
Der primärer Endpunkt (Änderungsrate der EZ-Verlustzone bis Monat 24) wurde erreicht: Der Verlust der EZ (entsprechend einem Verlust an Photorezeptoren) war um 56 % und 29 % signifikant verzögert, und auch die Lesegeschwindigkeit, ein sekundärer Endpunkt, war signifikant besser erhalten. Die Nebenwirkungen standen überwiegend mit dem chirurgischen Eingriff in Zusammenhang.
Die Gesamt-Erfolgsrate über alle Techniken gesehen lag bei 75.2 %. Die unterschiedlichen Techniken waren
1) Vitrektomie, Cerclage und Gas
2) Vitrektomie und Gas
3) Vitrektomie, Cerclage und Silikonöl
4) Vitrektomie und Silikonöl
5) Nur Cerclage
Die Hälfte der Augen (52 %) war bei Erstvorstellung phak, in 25 % lag eine PVR vor, überwiegend Typ C. Makula-off-Fälle überwogen leicht mit 56 %.
Die höchsten Erfolgsraten hatten die Techniken 1 (etwa 1/3 der Patienten, Erfolgsrate 86 %) und 5 (nur Cerclage, 8.3 % der Patienten, Erfolg in 83.3 %). Gruppe 4 betraf jeden 8. Patienten, hier lag die Erfolgsrate nur bei 51 %.
Die Kombination von Vitrektomie mit Cerclage + Gas erhöht demnach bei inferiorer Netzhautablösung die Erfolgsrate gegenüber der alleinigen Vitrektomie mit Gastamponade. Mit Silikonöl wurde dieser Anstieg der Erfolgsrate nicht gesehen.
New Orleans, 23. – 27.04.2023
Der Kongress der Association for Research in Vision and Ophthalmology brachte wichtige Studien, die wir in ophta und auf der SVRG-Website vorstellen werden. Hier picken wir einige kleinere Arbeiten heraus.
Künstliche Intelligenz (KI): Nach der Diagnose klärt der Roboter gleich auf
Die nächste Stufe scheint in der Künstlichen Intelligenz KI gezündet: Ein KI-Programm diagnostiziert ein Glaukom anhand von Gesichtsfeldern und Fundusbildern. So weit sind wir das schon fast gewohnt. S. Yousefi von der Universität in Memphis/Tennessee geht weiter: Er programmierte sein KI-Programm darauf, nach der Diagnose in Laiensprache über das Glaukom zu informieren und Patientenfragen zu beantworten. (C0239)
Visusverlust durch Schaumstoff-Munition in Kinderpistolen
In den USA spielen Kinder mit vermeintlich harmlosen Gewehren. Diese sog. Nerf-Guns ballern mit Schaumstoff-Munition. Vor allem Jungen unter 10 Jahren erleiden nicht ganz selten Augenverletzungen. Bei einem Hyphäma im Auge lag noch in Nachfolge-Untersuchungen nur ein Visus von 20/40 vor. Xie Y, et al. ARVO 2023
Low-Vision-Angebot bei nAMD wirksam und kosteneffizient
In einer Kohorte von über 500 nAMD-Patienten wurde 110 Personen eine Low-Vision Beratung mit mehreren Terminen vorgeschlagen. Ausgewählt wurden sie wegen höherem Alter, geringerem Visus und (oder) beiderseitiger nAMD. 94 % der Patienten nahmen alle Termine wahr; sie gewannen zwei Zeilen Visus hinzu. Die Kosten pro Patient wurden mit ca. 1700 $ angegeben, die Beratung als sehr wirtschaftlich beurteilt. Ramsey D, et al. ARVO 2023
Epigenetische Therapie bei NAION
An der Harvard Medical School/Life Biosciences gelang B. Ksander und Team im Modell eine epigenetische Reprogrammierung von retinalen Ganglienzellen, die durch NAION geschädigt sind. Derzeit steht für NAION (nicht-arteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie) noch keine gezielte Therapie zur Visusverbesserung zur Verfügung. Die vektorbasierte experimentelle Therapie («Genfähre») kann die Bildung bestimmter Genprodukte wieder anregen, im Sinne einer «Rejuvenation».
Chicago, 30.09. – 01.10.2022
Geographische Atrophie (GA)
Wie Dr. Hanna Camenzind, Universität Basel, wenige Wochen später am Swiss Retina Update in Zürich betonte, war es der Direktor ihrer Augenklinik, Prof. Hendrik Scholl, der Wesentliches dazu beitrug, die Rolle der Komplement-Kaskade in der Pathogenese der geographischen Atrophie (GA) aufzuklären. Aktuelle Studien zeigen bereits in Phase 3, dass die Komplement-Inhibition das Fortschreiten einer GA offenbar unterbinden kann.
SVRG Swiss VitreoRetinal Group
Eine Gruppe der SOG (Schweizerische Ophthalmologische Gesellschaft >>)