Geographische Atrophie (GA)
Wie Dr. Hanna Camenzind, Universität Basel, wenige Wochen später am Swiss Retina Update in Zürich betonte, war es der Direktor ihrer Augenklinik, Prof. Hendrik Scholl, der Wesentliches dazu beitrug, die Rolle der Komplement-
Kaskade in der Pathogenese der geographischen Atrophie (GA) aufzuklären. Aktuelle Studien zeigen bereits in Phase 3, dass die Komplement-Inhibition das Fortschreiten einer GA offenbar unterbinden kann.
Die Komplementkaskade lauft über drei Pfade, den klassischen, den alternativen und den Lektin-Pfad. Zur Inhibition der Komplementfaktoren C3 und C5 erreichten
Medikamente in Phase 3 positive Ergebnisse.
Avacincaptad Pegol (12 Monate)
Avacincaptad pegol inhibiert Komplement C5. Die C5-Hemmung verlangsamt Entzündungs- und Apoptoseprozesse, die mit der Entwicklung und Progression der GA assoziiert sind, erläuterte Arshad
Khanani (Reno, Texas) am AAO,bei Präsentation der Phase-3-Studie GATHER 2. Die internationale Multizenterstudie (prospektiv, randomisiert, doppeltmaskiert und sham-kontrolliert) untersucht über 12 Monate insgesamt 448
Patienten mit GA. Sie erhalten im Verum-Arm den C5-Inhibitor alle vier Wochen injiziert, im Kontrollarm vierwöchige Sham-Injektionen.
Der primaäre Endpunkt ist die mittlere Wachstumsrate der GA-Bereiche vom Studienbeginn bis Monat 12.
Mit einer Signifikanz von p = 0.0064 wurde dieser Endpunkt erreicht: Das Wachstum des GA-Areals war unter Verum um 14.3 % geringer als im Sham-Kontrollarm.
Ein interessantes Detail von Avacincaptad pegol: Dieses kleine Molekul ist synthetisch herstellbar (kein Biologikum). Okuläre Nebenwirkungen im Studienauge wurden in 48.9 % / 37.4 % (Verum / Sham)
beobachtet, als ernsthafte okuläre Nebenwirkungen im Studienauge wurden Ereignisse bei 0.9 % / 0.9 % erachtet, im gleichen Prozentsatz fuhren sie zum Absetzen der Behandlung. Zur choroidalen Neovaskularisation
kam es wahrend der 12 Monate in 6.7 % / 4.1 %; der intraokulare Druck stieg bei 9.3 % / 0.9 % messbar an. Intraokulare Entzundung, Endophthalmitis oder ischämische Optikusneuropathie wurden in keinem Fall beobachtet.
Im Fall einer Neovaskularisation wurde die Studienmedikation weitergeführt und durch Ranibizumab oder Aflibercept ergänzt.
Die Phase2 / 3-Studie GATHER-1 ist seit April 2021 publiziert und zeigte ebenfalls eine geringere GA-Progression unter dem C5-Inhitibor.
Pegcetacoplan (24 Monate)
Die 2-Jahres-Ergebnisse von Pegcetacoplan bei GA aus den beiden randomisierten Phase-3-Studien OAKS und DERBY wurden ebenfalls am AAO vorgetragen. Dieser Inhibitor zielt auf Complement C3 und 3b, erläuterte Charles Wykoff (Houston,
Texas), die zentralen Komplementfaktoren, welche Entzündung, Opsonisierung und Zelllyse kontrollieren.
Die Patienten wurden in OAKS und DERBY monatlich, alle zwei Monate oder mit Sham behandelt. Die Studienteilnahme war von der Corona-Pandemie uberschattet, knapp 20 % stiegen vor Ablauf der 24 Monate aufgrund von COVID-19 aus dem Protokoll aus (ITT-Set: n=213/212/212
Augen in den Armen monatlich, zweimonatlich, Sham).
Die Vergrösserung des von GA betroffenen Areals verminderte sich gegenüber Sham-Injektionen um 22 % bzw. 19 % (OAKS / DERBY) bei monatlichen Injektionen, um 18 % / 16 % bei Injektionen alle zwei Monate (p 0.003 – 0.0001). Die längere Behandlung zahlte sich aus, denn
in 6-Monats-Zeitraumen betrachtet, zeigte sich der Effekt mit jedem halben Jahr ab Therapiebeginn deutlicher: Zwischen Monat 18 und 24 sank die Zunahme um 24 % (zweimonatliche Injektion) und 30 % (monatliche Injektion). Auch im subfovealen und fovealen Bereich wurde diese Progressionshemmung
beobachtet.
Bei den funktionellen Endpunkten (sekundäre Endpunkte) zeigte sich kein signifikanter Unterschied. Eine post-hoc-Analyse der perilasionalen Mikroperimetrie deutet darauf hin, dass der Photorezeptor-Verlust gebremst werden konnte. Auch auf die Sicherheit ging der Referent ausführlich
ein.
Glaskörper-Bildgebung mit geboostertem OCT
Prof. Richard Spaide, New York, Philippe Valmaggia, MD-PhD-Kandidat am OCTlab des Universitätsspitals Basel, und Privatdozent Dr. Peter Maloca, ebenfalls OCTlab und IOB Basel, gelang es, die Struktur des Glaskörpers mit dem «geboosterten
OCT» aufzuklären. Rick Spaide stellte das Verfahren auch am Retina-Tag des AAO vor.
Wie untersucht man im OCT eine durchsichtige Struktur? Georg Eisner hat in Bern umfangreiche Vorarbeit zur Aufklärung der Glaskörperstruktur geleistet, lange bevor das OCT zur Verfuügung stand. Im OCT ist der Signal-Level des Glaskörperraums so niedrig, dass er mit
Rauschen gleichgesetzt wird. Spaide und seine Arbeitsgruppe fanden einen Ansatz, um selbst diese niedrigen Signalniveaus noch analysieren und 100 Schnitte pro Glaskörpersektion gewinnen zu können.
Die Bilder wurden mit Volumenberechnung beurteilt. Pramakuläre Bursa und die Area Martegiani konnten in 3 Dimensionen erkannt werden.
b einem Alter von 30 Jahren wurden in allen Augen Zeichen einer Glaskörperdegeneration beobachtet, in einem Fall sogar bei einem Probanden in der dritten Lebensdekade.
In zwei Publikationen in Retina beschreiben die Autoren ihre Befunde detailliert. Besonders interessant erscheint die Beobachtung, dass der Glaskörperkortex im Bereich der Makula relativ fragil ist. Diese Eigenschaft ist vorteilhaft, weil sie die zentrale Makula vor Traktionskräften
schützt, die bei der posterioren Glaskorperabhebung auftritt.